Himmlisches Panorama
Familie Ott hat sich im sanierten „Roten Riesen” an der Hochheider Hanielstraße einen Traum erfüllt.
Martin Krampitz / NRZ, DER WESTEN / 21.09.2009
Kondome im Blumenkasten, Fisch im Briefkasten, Erbrochenes auf dem Balkon – das war einmal. „Multikulti hat halt nicht funktioniert“, sagt Walburga Ott und schaut ausnahmsweise mal ernst drein. Die 64-jährige Erzieherin erinnert sich an die 14 Jahre, die sie mit ihrem Mann im Mehrfamilienhaus Ottostraße 40 in Hochheide lebte. Mit einem weiteren Paar waren sie die letzten Deutschen im Haus, in dem vor allem Polen, Russen, Türken, Bosnier und Albaner leben. Den Otts reichte es igendwann. Im Juni zog das Ehepaar die Reißleine und um: ganz in die Nähe. Jetzt, so langsam, findet die Hombergerin den Glauben an ihre alte Heimat wieder: „Das wird wieder,” hofft sie.
Verkehr im Flüsterton
Hochheide leuchtet. Blauer Himmel, die Herbstsonne strahlt, der Blick geht ganz, ganz weit – über den Rhein nach Ruhrort, Laar, Walsum. Panorama-Blick vom Feinsten. Und es ist leise: Autoverkehr nimmt man hier oben nur als leises Rauschen war. Ab und an bellt irgendwo ein Hund. Immer noch besser als alkoholisierte Jugendliche, die vorm Haus bis frühmorgens randalieren, wie in der Ottostraße. Die Otts sind angekommen in ihrer neuen Heimat im 20. Stock des „Roten Riesen” an der Hanielstraße 38, den ein Investor aufwändig saniert und modernisiert hat.
Bei ihren Spaziergängen mit den beiden Hunden hatte Walburga Ott die großen Plakate an Hanielstraße 38 gesehen. „Mein Mann und ich wollten von Anfang an dabei sein und ganz oben im 20. Stock wohnen. Schon meine Mutter und einer meiner Brüder haben hier früher trotz allem gerne gewohnt.“ Ein Anruf, ein Ortstermin – dann unterschrieben die Otts am 1. Juni als erste Neumieter den Vertrag.
Zu diesem Zeitpunkt war sogar noch eine weitläufige Dachterrasse eingeplant, die aber aus Sicherheitsgründen nicht zustande kam. So bleibt es jetzt bei 157 Quadratmetern für 1130 Euro warm. Die Handwerkerkolonnen sind fertig, haben gebohrten, gehämmert, geklopft, gesägt, geschraubt und gestrichen. Von Juni bis August. Und „Und waren alle nett, freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit.“
Die Otts wollten den Bruch mit der Ottostraße 40 und einen echten Neuanfang, bestellten eine komplette neue Wohnungseinrichtung und verschenkten schon mal sämtliche alten Möbel an die Caritas. Von ihrem Hab und Gut blieben beim Umzug 70 Kisten und blaue Säcke. Die mussten Walburga Ott und ihre sechs fleißigen Helfer per Aufzug im Nachbarhaus Nummer 36 in den 20. Stock hieven – denn die Lifts im Haus Nummer 38 waren da noch nicht in Betrieb.
Über den Dächern von Homberg
Mit Sack und Pack ging es über das ungesicherte Dach des Hochhauses. Über dass Treppenhaus in Nummer 38 erreichte die Neumieterin die renovierte Wohnung. Das gleiche Theater dann noch einmal mit den neuen Möbeln. Das war der etwas andere Umzug, zumal Walburga Otts Ehemann als Kapitän gerade mit einem Schiff auf dem Rhein unterwegs war. Das muss die Hombergerin nicht noch einmal haben: „Es war die Hölle!“ Sie meint, was sie sagt.
Nach dem kurzen Ausflug in die Hölle blickt das Paar in den Himmel über den Dächern von Homberg. „Jetzt genieße ich hier jeden Tag den wunderbaren Ausblick. Damit es wieder richtig schön wird, muss in dieser Gegend noch viel gearbeitet werden. Zum Beispiel müssen die ganzen Müllhalden hier im Viertel endlich weg!“, fordert Walburga Ott. Sie ist hier aufgewachsen, verlebte eine schöne Jugend mit acht Geschwistern. Die vier Kinder des Paars, im Januar seit 30 Jahren verheiratet, sind aus dem Haus. Aber gesellige Leute wie die Otts sind nicht einsam: Neulich stand schon das Nachbarpaar aus der Ottostraße auf der Matte: „Vielleicht ziehen die ja auch noch ein.” Wenn nicht sorgen zwei Hunde, vier Wellensittiche und unzählige Zierfische für Unterhaltung auf hohem Niveau.